SCHWANGERENVORSORGE

Jede Schwangere hat einen gesetzlichen Anspruch auf eine ausreichende medizinische Beratung, Untersuchung und Behandlung. Die Kosten für die nach den Mutterschaftsrichtlinien empfohlene Schwangerschaftsvorsorge werden von den gesetzlichen oder privaten Krankenkassen getragen. Wird eine Schwangerschaft festgestellt, erfolgt eine Beratung zu folgenden Themen:

  • Körperliche und psychische Veränderungen in der Schwangerschaft
  • Gesundheitsbewusstes Verhalten
  • Absolute Vermeidung von Rauchen, Drogen und Alkohol
  • Gesunde Ernährung
  • Jod-, Vitamin D3- und Folsäurezufuhr
  • Kariesvorsorge
  • Infektionen, die dem Kind vorgeburtlich schaden könnten
  • Begleitende Vorerkrankungen
  • Ultraschall- bzw. Pränataldiagnostik

Die körperliche Untersuchung umfasst folgende Messungen:

  • Körpergewicht
  • Blutdruck
  • Gynäkologische Untersuchung
  • Urinuntersuchung
  • Blutbild, Hämoglobinwert
  • Blutgruppe und Rhesusfaktor
  • Antikörpersuchtest
  • Suchtests nach Infektionen (Röteln, Syphilis/Lues, Hepatitis B, Chlamydien)
  • HIV/AIDS-Test, wenn die Schwangere ihre Einwilligung hierfür gibt
  • Höhenstand der Gebärmutter (Fundusstand)
  • Kontrolle der kindlichen Herztöne (Cardiotokogramm oder CTG)
  • Lagekontrolle des Kindes (Schädellage, Beckenendlage, Querlage)

Bis zur 32. Schwangerschaftswoche erfolgt die normale Vorsorge im vierwöchentlichen, danach im zweiwöchentlichen Rhythmus. Besteht eine Risikoschwangerschaft, erfolgen die Untersuchungen entsprechend engmaschiger. Zwischen der 24. – 28. Schwangerschaftswoche wird allen Schwangeren ein Suchtest auf Schwangerschaftsdiabetes (oraler Glucosetoleranztest) angeboten. Ein nicht entdeckter Diabetes in der Schwangerschaft gehört zu den häufigen Schwangerschaftserkrankungen. Eine unzureichende Blutzuckerkontrolle kann zu Störungen der Kindesentwicklung und Geburtskomplikationen führen. Frauen ohne Risikofaktoren für einen Diabetes führen üblicherweise einen 50g-Zuckerbelastungstest durch. Nach Einnahme einer genau bemessenen Zuckerlösung muss die Schwangere ganz ruhig warten, bis nach einer Stunde eine Blutabnahme erfolgt. Falls der Blutzuckerwert auffällig ist, erfolgt üblicherweise bei einem Facharzt für Diabetologie ein 75g-Zuckerbelastungstest, der noch genauere Ergebnisse liefert. Für diesen Test darf die Schwangere acht Stunden vor dem Test nichts mehr essen und trinken. Deshalb wird der Test auch gleich am Morgen durchgeführt. Es erfolgen drei Blutentnahmen: nüchtern sowie nach einer und nach zwei Stunden nach dem Trinken einer genau bemessenen Zuckerlösung. Während dieser Zeit muss die Schwangere ebenfalls ganz ruhig warten. Ein auffälliger Wert ist ausreichend, um einen Schwangerschaftsdiabetes zu diagnostizieren. Die betroffene Schwangere erhält beim Diabetologen eine Ernährungsberatung und Einweisung in die selbständige Blutzuckermessung, ggf. wird auch über eine notwendige Insulintherapie beraten. Frauen mit Risikofaktoren für einen Diabetes führen gleich einen 75g -Zuckertest durch. Bei Frauen mit ausgeprägten Risikofaktoren werden der Test oder gelegentliche Nüchtern-Blutzuckermessungen auch schon vor 24.SSW empfohlen.

Bei Schwangeren mit Rhesus-negativer Blutgruppe wird zwischen der 28. bis 30. Schwangerschaftswoche eine Immunprophylaxe mit Anti-D-Antikörpern, eine sogenannte Rhesusprophylaxe, (intravenöse oder intramuskuläre Gabe) empfohlen, um eine sogenannte Rhesusinkompatibilität zu verhindern. Diese Problematik tritt auf, wenn der Blutgruppen-Rhesusfaktor des Kindes positiv ist (geerbt vom Rhesus-positiven Vater) und die Rhesus-negative Schwangere nach einer Sensibilisierung Antikörper gegen kindliche Blutzellen bildet. Zwischen Mutter und Kind besteht über den Mutterkuchen eine Verbindung, über die auch schon im Normalfall ein geringer Blutaustausch zwischen Mutter und Kind erfolgt. Die von der Mutter im Rahmen einer solchen Sensibilisierung gebildeten Antikörper gelangen über den Mutterkuchen in den kindlichen Kreislauf und zerstören dessen roten Blutkörperchen. Dies kann beim ungeborenen Baby zu einer lebensgefährlichen Blutarmut führen. Durch die Prophylaxe soll eine gefährliche Immunisierung (Antikörperbildung) der Schwangeren verhindert werden, die zumeist nachfolgende Schwangerschaften mit Rhesus-positiven Feten gravierend gefährden könnte. Bei Blutungen oder pränataldiagnostischen Punktionen der Gebärmutter wird ebenfalls eine Rhesusprophylaxe verabreicht.

Für Schwangere mit Rhesus-negativer Blutgruppe besteht die Möglichkeit, das fetale Blutgruppenmerkmal RhD (Rhesus-Faktor D) über einen Nichtinvasiven Pränataltest (NIPT) als Krankenkassenleistung bestimmen zu lassen. Der NIPT für den fetalen Rhesus-Faktor D soll eine gezielte Immunprophylaxe (Gabe eines aus menschlichem Serum gewonnenen Antikörpers) nur bei denjenigen Schwangeren notwendig machen, deren ungeborenes Baby Rhesus-positiv ist. Frauen, deren ungeborenes Baby Rhesus-negativ getestet wird, benötigen diese Prophylaxe (Blutprodukt) in der Schwangerschaft nicht. Der RhD-NIPT kann nicht bei Mehrlingen erfolgen.

https://www.g-ba.de/downloads/34-215-885/42_2020-08-20_Mu-RL_RHneg-Test.pdf

https://www.frauenaerzte-im-netz.de/aktuelles/meldung/rhesusfaktor-oder-nicht-test-in-der-fruehen-schwangerschaft-spart-kostbare-immunglobuline/

Ab 01.07.22 ist der Nichtinvasive Pränataltest (NIPT) als gezielter Suchtest (Screening) zur Risikobestimmung der drei freien Trisomien 21, 18 und 13 unter bestimmten Voraussetzungen bzw. als Einzelfallentscheidung eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Der NIPT stellt keine Routineuntersuchung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge dar. Die Kosten werden von den Krankenkassen dann übernommen, wenn in anderen Untersuchungen Auffälligkeiten gefunden wurden, die auf das Risiko einer Trisomie hinweisen, nicht jedoch, wenn ein deutlich auffälliger Ultraschallbefund (zB fetale Fehlbildungen) durch eine invasive Diagnostik (zB Fruchtwasserpunktion) beweisend und umfassend abgeklärt werden sollte. Auch werden die Kosten übernommen, wenn die Schwangere und ihr Arzt nach ausführlicher genetischer Beratung gemeinsam entscheiden, dass der NIPT in dieser individuellen Belastungssituation notwendig wird, um die Angst der Schwangeren vor einer Trisomie ihres Kindes weiter abzuklären. Für weitere Informationen nutzen Sie bitte den nachfolgenden Link zur Versicherteninformation des Gemeinsamen Bundesausschusses GBA sowie die weiteren Informationen zum NIPT auf unserer Website. https://www.g-ba.de/downloads/17-98-5156/2021-11-09_G-BA_Versicherteninformation_NIPT_Ansichtsexemplar.pdf

Im Schwangerschaftsverlauf werden risikofreien Schwangeren drei Basisultraschalluntersuchungen angeboten. Diese dienen der Bestimmung des Kindsalters bzw. der Schwangerschaftswoche, der Erkennung von Mehrlingsschwangerschaften, der Kontrolle der Kindsgröße bzw. der kindlichen Entwicklung und der Erkennung von kindlichen Auffälligkeiten. Es wird nach der Placentalage und der Fruchtwassermenge geschaut. Nach entsprechender Beratung kann die Schwangere diese Untersuchungen wahrnehmen oder aber auch ablehnen. Liegen bestimmte Risikofaktoren vor, erfolgen häufigere Ultraschallkontrollen. Die Basisultraschalluntersuchungen werden im Schwangerschaftsverlauf in folgenden Zeiträumen durchgeführt:

  • Untersuchung zwischen der 9. – 12. Schwangerschaftswoche
  • Untersuchung zwischen der 19. – 22. Schwangerschaftswoche
  • Untersuchung zwischen der 29. – 32. Schwangerschaftswoche

Hiervon abzugrenzen ist die spezielle Ultraschalldiagnostik oder Pränataldiagnostik (zum Beispiel das Ersttrimesterscreening oder das Organscreening), die nicht Bestandteil der gesetzlichen Schwangerenvorsorge ist. Liegen jedoch bestimmte mütterliche Risikofaktoren oder Auffälligkeiten in den Basisuntersuchungen vor, können bestimmte pränataldiagnostische Untersuchungen als Krankenkassenleistung erfolgen.

Ebenso sind nachfolgende Antikörper-Testungen auf bestimmte Infektionserreger optional bzw. bei individueller Risikosituation medizinisch zu empfehlen. Sie sind kein Bestandteil der gesetzlichen Vorsorge (sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen), sofern kein medizinisch begründeter Verdacht vorliegt. Diese Erreger können bei einer Erstinfektion der Schwangeren über den Mutterkuchen das ungeborene Kind infizieren und schädigen. Je früher in der Schwangerschaft eine Infektion des Kindes auftritt, desto schwerer sind im Allgemeinen dessen Schädigungen. Über die Antikörpertestung erfolgt die Bestimmung des mütterlichen Immunstatus, dass heißt, ob ein Immunschutz bereits vorhanden ist oder fehlt.

  • Toxoplasmose: Die Erkrankung kann beim Kind schwere Fehlbildungen unter anderem des Gehirns auslösen. Die Aufnahme des parasitären Erregers erfolgt über den Kontakt mit Katzenkot sowie über das Essen von rohem Fleisch und ungewaschenem Gemüse. Entsprechend wird empfohlen, auf den Verzehr rohen oder geräucherten Fleisches zu verzichten, Katzenkontakt zu vermeiden sowie rohes Gemüse sorgfältig zu waschen. Bei einer Infektion der Schwangeren mit Toxoplasmose kann  das Infektionsrisiko des Kindes durch eine langandauernde Antibiotikatherapie gesenkt werden.
  • Cytomegalie/CMV: Die Infektion kann zu schweren Fehlbildungen des Kindes insbesondere des Gehirns führen. Eine etablierte Therapie in der Schwangerschaft gibt es bislang nicht. Das Virus wird durch engen Kontakt zu Kleinkindern und Kindergartenkindern erworben, z.B. beim Windelwechseln und durch Speichelkontakt. Zur Risikoverminderung wird eine sorgfältige Hygiene empfohlen, um eine Infektion insbesondere bei Kontakt mit Urin und Speichel zu vermeiden (z.B. Händedesinfektion nach jedem Kontakt mit jeglichen kindlichen Körperflüssigkeiten, vor allem Urin, kein Ablecken von benutztem Besteck oder Schnullern, kein Küssen auf den Mund, kein Aufessen angefangener Mahlzeiten).
  • Parvovirus B19 ist der Erreger der Ringelröteln. Auch dieses Virus wird durch Klein- und Kindergartenkinder übertragen und kann nicht medikamentös behandelt werden. Die Infektion des Kindes kann zu einer schweren Blutarmut und zu Organschädigungen führen. In schweren Fällen muss eine intrauterine Bluttransfusion des Kindes erfolgen. Auch hier empfiehlt sich eine Kontaktvermeidung mit möglicherweise erkrankten Personen (diese sind leider schon vor Ausbruch des sichtbaren Hautausschlags infektiös) sowie eine sorgfältige Händehygiene.
  • Varizellen sind Viren, die bei einer Erstinfektion Windpocken auslösen. Wer Windpocken als Kind durchgemacht hat, besitzt üblicherweise einen lebenslangen Immunschutz. Die im Körper inaktiv verbleibenden Viren können in bestimmten Situationen reaktiviert werden und eine Gürtelrose/Herpes Zoster auslösen.  Auch bei einer Gürtelrose können die in den Bläschen enthaltenen Viren Infektionen des Feten auslösen, allerdings sehr viel seltener. Windpocken können bei Schwangeren ohne Immunschutz eine gefährliche Infektion hervorrufen. Die Erstinfektion in der Schwangerschaft führt zudem bis zur 28. Schwangerschaftswoche zu einem sehr schweren Fehlbildungsbild des Kindes (fetales Varizellensyndrom). Die Infektion um den Geburtszeitpunkt herum kann zu einer gefährlichen Infektion des Neugeborenen führen. Durch die Gabe von hochdosierten Varizellen-Antikörpern und ggf. antiviralen Medikamenten kann das Risiko für eine mütterliche Erkrankung und Infektion des Kindes vermindert werden. Zudem gibt es eine effektive Schutzimpfung, die allerdings nicht in der Schwangerschaft erfolgen darf.

Besteht bei der Schwangeren bereits ein Immunschutz für die oben genannten Erreger, sei es durch eine zurückliegende Infektion außerhalb der Schwangerschaft oder durch eine Impfung (nur gegen Windpocken möglich), kommt es zumeist nicht zu schweren kindlichen Infektionen. Fehlt hingegen eine mütterliche Immunität, kann eine Infektion in der Schwangerschaft nicht in jedem Fall vermieden werden, aber durch die Beratung über Präventionsmaßnahmen (Kontaktvermeidung, Händehygiene) und bestimmte Therapiemöglichkeiten kann das Risiko einer kindlichen Infektion vermindert werden. Die möglichst frühzeitige Bestimmung der Immunitätslage (am besten vor oder sehr früh in einer Schwangerschaft) hilft dabei, das individuelle Risiko der Schwangeren einzuschätzen und  entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu besprechen.

  • Streptokokken der Gruppe B: Diese Bakterien besiedeln häufig die Scheide und verursachen üblicherweise keine Beschwerden. Bei einer vaginalen Geburt kommt das Kind mit diesen Erregern in Kontakt und kann sich infizieren. Dies kann in manchen Fällen zu schweren Infektionen in der Neugeborenenzeit führen. Dieser optionale Vaginalabstrich wird üblicherweise zwischen der 35. bis 37. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Ist eine Streptokokkenbesiedlung bekannt, erfolgen Antibiotikagaben während der Geburt, um eine kindliche Infektion zu verhindern.

Bitte besprechen Sie auch mit Ihrer Ärztin die empfohlenen Schutzimpfungen, um Ihrem Baby ab der Geburt einen Nestschutz mit auf den Weg zugeben. Hier sind die Impfungen gegen Keuchhusten/Pertussis und RSV (Respiratorisches Synzytial Virus) zu nennen, die beim ungeschützten Baby zu mitunter schweren Atemwegsinfektionen führen können. Diese Impfungen werden der Schwangeren verabreicht und führen über die mütterliche Antikörperbildung zu einer passiven Immunisierung des Neugeborenen, dh das Baby erhält von der Mutter über den Mutterkuchen einen Antikörperschutz für die ersten Lebensmonate. Die Impfungen werden ab der 32. SSW angeboten.  Eine Aktualisierung der üblichen empfohlenen Schutzimpfungen (zB Tetanus, saisonale Influenza, etc.) sollte ebenfalls rechtzeitig erfolgen.